* 1903 Offenbach
+ 1949 Oberursel
Der Bildhauer Richard Martin Werner studierte seit 1920 an der Kunstgewerbeschule in seiner Geburtsstadt Offenbach. 1922 siedelte er nach Frankfurt am Main über, wo er seine Ausbildung am Städelschen Kunstinstitut fortsetzte. Zuerst als Schüler Georg Bäumlers, wechselte er 1925 in die Bildhauerklasse von Richard Scheibe, dessen Meisterschüler er bis 1929 war. Wie Scheibe, beschäftigt sich Werner vorwiegend mit Aktdarstellungen. Von seinem Lehrer und dessen bildhauerischen Ideal stark beeinflusst, fertigte Werner 1926 eine Bronzebüste Scheibes, die im gleichen Jahr für die Sammlung des Städel angekauft wurde. Weiter arbeitete er mit Scheibe an dessen Auftrag für ein Friedrich Ebert-Denkmal und soll auch Modell für die 1926 an der Paulskirche angebrachte Jünglingsgestalt gestanden haben. Oft wird angegeben, dass Werner 1929 ein Stipendium für die Villa Massimo in Rom erhielt, unter den ehemaligen Stipendiaten ist sein Name aber nicht zu finden. Von 1930 bis 1937 war er in Offenbach und Frankfurt am Main als freier Bildhauer tätig, ab 1937 lebte er in Oberursel.
Er war Kriegsteilnehmer (1941–45), konnte aber trotzdem alljährlich an der NS-Leistungsschau Große Deutsche Kunstausstellung (GDK, 1937–1944) im Haus der Deutschen Kunst in München teilnehmen. Dort zeigte er vor allem idealisierte weibliche Aktplastiken, die sich im NS als anschlussfähig erwiesen.
Die Statuette mit dem Titel Schreitende wurde auf der GDK 1938 in Bronze präsentiert und dort von Adolf Hitler erworben. Ein Jahr zuvor kaufte Hitler die Skulptur Junges Mädchen von ihm. Auch der Reichsminister und Chef der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers, erstand in München zwei Plastiken Werners. Für eine größere Käuferschicht wurden seine idealisierten Aktfiguren durch den Porzellanhersteller Rosenthal zugänglich. Das Unternehmen erwarb 1936 die Entwürfe von drei weiblichen Akten und fertigte sie in Biskuitporzellan.
Weitere Anerkennung brachte die Teilnahme am Kunstwettbewerb der XI. Olympiade 1936 in Berlin. Sein Beitrag Läuferin am Start, eine in Tiefstart-Position dargestellte weibliche Aktplastik, hebt sich durch die Pose von den übrigen Aktdarstellungen der Periode ab, die er meist in einfacher Bewegung darstellt. Ein Bronzeguss der Läuferin am Start befindet sich seit 1938 vor dem Waldstadion in Sachsenhausen.
Nach Kriegsende war er Mitbegründer und erster Vorsitzender des Künstlerbunds Taunus (heute: Kunstverein Bad Homburg Artlantis) in Bad Homburg und gewann die Ausschreibung für einen Gestaltungswettbewerb des Direktoriums Deutscher Länder für ein Motiv für die 50-Pfennig-Münze. Die Jury entschied sich einstimmig für Werners Entwurf. Er überzeugte mit einer Symbolik des Wiederaufbaus, dargestellt durch eine Kniende die einen Eichensetzling pflanzt. In der Sammlung des Städel befinden sich die von Richard Martin Werner geschaffenen Skulpturen Stehendes Mädchen (1931), Stehender Jüngling (1932), Schlafendes Mädchen (1937), Schreitende (1937) und Mädchenkopf (1938). Auch das Stadtmuseum Offenbach besitzt Plastiken von ihm, darunter der Kopf eines Soldaten mit Stahlhelm und eine Büste von Ricarda Huch. Auf dem Alten Friedhof in Oberursel befindet sich eine steinerne Pietà (1949) die Werner zum Gedenken an die Opfer des Zweiten Weltkriegs schuf. Werner starb im Oktober 1949 im Alter von 46 Jahren.
Text: Ambra Frank, 2024