Kunst im öffentlichen Raum Frankfurt

Wandel Lorch Hirsch

Andrea Wandel
geb. 1963 in Saarbrücken
Andrea Wandel ist selbständige Architektin und Stadtplanerin sowie Professorin im Lehrgebiet Entwerfen, Raumbildung und Darstellung an der Hochschule Trier.

Wolfgang Lorch
geb. 1960 in Nürtingen am Neckar
Wolfgang Lorch ist selbständiger Architekt und Stadtplaner sowie Professor für Entwerfen und Baugestaltung an der TU Darmstadt.

Nikolaus Hirsch
geb. 1964 in Karlsruhe
Nikolaus Hirsch ist Architekt, Kurator und Kunsttheoretiker. Seit 2021 ist er künstlerischer Leiter des Architekturzentrums CIVA in Brüssel.

Sie steckten noch in ihrem Architekturstudium, als Andrea Wandel, Wolfgang Lorch und Nikolaus Hirsch ihren Beitrag zu dem 1987 ausgelobten Wettbewerb Gedenkstätte Neuer Börneplatz erarbeiteten. Seitdem gehen sie teils gemeinsame, teils eigene Wege. In wechselnden Konstellationen und Kooperationen arbeiten sie an einer Architektur, die "sowohl Erinnerung ermöglicht als auch Zukunft aufzeigt" (zitiert nach Enrico Santifaller in: BauNetz, 20.09.2019). So äußerte sich Kasper König in Bezug auf die Frankfurter Gedenkstätte – aber aus heutiger Sicht ist klar, dass man diese Formel durchaus verallgemeinern kann: Denn Schwerpunkte ihrer Werke liegen auf der Gestaltung von Erinnerungsorten wie auch auf der Errichtung von Bauten, die deutsch-jüdisches Leben nach dem Holocaust heute und in Zukunft wieder möglich machen.
Auch deshalb wurde Wandel und Lorch 2019 der Hessische Kulturpreis, der höchstdotierte Kulturpreis Deutschlands, verliehen. Der damalige Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier erklärte in diesem Zusammenhang, ihre Arbeit habe bedeutende Orte für den Dialog zwischen den Kulturen geschaffen, Geschichte einen Raum gegeben und Grundsteine für das jüdische Leben in Deutschland gelegt. Und damit jüdischen Bürger*innen "wieder eine Heimat und damit auch eine Zukunft in unserem Land gegeben" (zitiert nach BauNetz, 20.09.2019).
Eine Seltsamkeit der Geschichte ist allerdings, dass der Preis nur an Wandel und Lorch ging. Denn die beiden führen zwar das 1969 von Wandels Vater gegründete Architekturbüro zusammen weiter (heute unter dem Namen Wandel Lorch Götze Wach, mit Standorten in Saarbrücken und Frankfurt). Doch für rund 20 Projekte bildeten sie eine Arbeitsgemeinschaft mit Hirsch. Außerdem waren Rena Wandel-Hoefer und Andreas Hoefer zeitweise Büropartner*innen. Im Folgenden vorgestellt werden einige Projekte des Büros und einige Projekte von Hirsch.

International bekannt wurde das Architekturbüro mit seinem Entwurf für die Neue Synagoge und das Gemeindezentrum in Dresden (Büro Wandel Hoefer Lorch, mit Hirsch). Er erhielt den World Architecture Award für das beste Gebäude Europas auf dem XXI. Architektur-Weltkongress UIA 2002. Weitere ausgezeichnete Bauten sind das Jüdische Zentrum Münchens (Deutscher Städtebaupreis 2008, Auszeichnung des Deutschen Architekturpreises 2011; mit Hirsch) und das Dokumentationshaus an der Gedenkstätte Hinzert (Auszeichnung beim Preis des Deutschen Stahlbaus 2006; mit Hirsch). Bei diesem Bau handelt es sich um "ein Gebäude als baulichen Störfall, als visuelle Nötigung" (so Enrico Santifaller in BauNetz, 20.09.2019): Um an die verstörenden Ereignisse im Nationalsozialismus zu erinnern, wurden 3.000 Dreiecke aus Cortenstahl zu einem geknickten, gekrümmten und verdrehten Gebäude zusammengeschweißt.
Demgegenüber ist dem Hotel Silber in Stuttgart Behutsamkeit und Unaufgeregtheit zu eigen. Ursprünglich ein Gasthaus, war hier von 1938 bis 1945 die Geheime Staatspolizei für Württemberg und Hohenzollern untergebracht. Den Abriss gut 70 Jahre später konnte eine Bürgerinitiative verhindern. Statt des geplanten Shopping Centers wurde hier 2018 ein Lern- und Gedenkort eröffnet.
Ein repräsentativer Querschnitt der Projekte des Architekturbüros war in einer Ausstellung zu sehen, die 2011 das Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne veranstaltete. Die ARD fasst zusammen: "So intensiv wie möglicherweise niemand sonst in der Architektur hat sich das Büro mit der Frage auseinandergesetzt, wie Geschichte räumlich und baulich festgehalten bzw. fortgeschrieben werden kann." (so der Programmhinweis auf den Bericht im Kulturspiegel, 16.11.2011; Kulturspiegel)

An vielen der genannten Projekte des Architekturbüros war auch Hirsch beteiligt. Daneben hat er als Architekt weitere Projekte im In- und Ausland realisiert, darunter The Cybermohalla Hub (mit Michel Müller, Delhi, 2012) und Do We Dream Under The Same Sky (mit Rirkrit Tiravanija; Art Basel, 2015 / LUMA Arles, 2017, Berliner Festspiele / Gropius Bau, 2020). Er lehrte an zahlreichen Einrichtungen, etwa an der Londoner Architectural Association School of Architecture und an der Frankfurter Städelschule, die er von 2010 bis 2013 auch leitete. Hirsch kuratierte zahlreiche nationale und internationale Ausstellungen, so war er 2021 einer der Kuratoren des deutschen Pavillons auf der Architekturbiennale von Venedig (mit Arno Brandlhuber, Olaf Grawert, Christopher Roth). Seit 2021 leitet er mit Benjamin Erarts das CIVA in Brüssel.
Frankfurter Schüler*innen werden seine Arbeit in den nächsten Jahren buchstäblich auf dem Schulhof kennen lernen. Für das Projekt Das fliegende Künstlerzimmer hat er einen mobilen Raum entworfen (zusammen mit Michel Müller), der jeweils für den Zeitraum von zwei Jahren auf einem Schulgelände steht: als Wohn- und Atelierraum für den*die Artist in Residence sowie als Arbeits-, Lern- und Kreativort für alle Beteiligten. Ziel ist, Schüler*innen die Begegnung mit Kunstschaffenden zu ermöglichen – ein Ziel, das von der Crespo Stiftung sowie dem Land Hessen unterstützt wird.

Text: Christine Taxer, 2023

Weitere Informationen über die Künstler*innen:
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