Nele, E.R.
geb. 1932 in Berlin
lebt und arbeitet in Frankfurt am Main
E.R. Nele (eigentlich Eva Renée Nele Bode, genannt Nele) studierte Silberschmieden an der (heutigen) University of the Arts London bei Richard Hamilton (1951–1955), lernte Kupfer-Tiefdruck im Pariser Studio Lacourière (1957 und 1958) und besuchte die Klasse für Metallplastik bei Hans Uhlmann an der (heutigen) Universität der Künste in Berlin. In einer Berliner Schweißerei lernte sie außerdem den Umgang mit Eisen und Stahl. Seit 1965 lebt Nele als freischaffende Künstlerin in Frankfurt.
Monumentale Stahlplastiken bilden einen Schwerpunkt in ihrem Werk. Sie widmen sich meist dem Menschen, seinen Emotionen, inneren Haltungen und sozialen Zusammenhängen. Ob spielerisch, ob ernsthaft oder auch politisch angelegt – der Zugang zu ihren Arbeiten ist meist greifbar und unmittelbar. So auch
Die Rampe (1985), ein "Schlüsselwerk" (wie Eva-Maria Magel in ihrem
Artikel zum 90. Geburtstag schreibt; FAZ, 16.03.2022; letzter Zugriff 04.03.2024), das den Holocaust künstlerisch reflektiert. Das Mahnmal gegen Deportation und Vernichtung besteht aus einem originalen Güterwaggon der Reichsbahn, über eine Rampe bewegen sich drei Figuren hinab. Diese sind als körperlose Mäntel angelegt: Während eine Figur ihre Arme wie abwehrend emporhebt, sind zwei Figuren als Paar einander zugewandt und scheinen sich gegenseitig zu stützen. Vor der Rampe liegt ein Stapel Mäntel. Die Installation steht am früheren Henschel-Werk in Kassel, auf dem Gelände der heutigen Universität.
Die Arbeite steht also in einer Stadt, die eine besondere Rolle in Neles Leben spielt: Hierher, zu ihren Großeltern, kam die Familie 1934, als der Vater, Arnold Bode, seine Arbeit am Berliner Werklehrer-Seminar verloren hatte und als "entarteter" Künstler galt. Hier sah Nele die Zwangsarbeiter auf ihrem Weg zu den Henschel-Werken, wobei die Mutter ihnen oft etwas zusteckte. Schon als Kind wusste Nele, dass Freund*innen der Eltern verfemt und verfolgt waren – viele von ihnen kannte sie persönlich – und dass die Eltern Angst hatten. Nach dem Dritten Reich wiederum initiierte der Vater die documenta in Kassel, die 1955 erstmals stattfand. Nele beteiligte sich als Künstlerin und Helferin; auf der documenta II (1959) und documenta III (1964) stellte sie selbst mit aus.
Spielerischer als die Kasseler Installation sind die Werke im Frankfurter Stadtraum: die
Flügelskulpturen (1966) und die
Windsbraut (2008), eine zweiteilige Stahlskulptur, die sich bei starkem Wind dreht.
Leichtigkeit vermittelt auch
Europa (1995). Sie befindet sich in unsicherer Position, über wackeligem Grund, auf einem Bein balancierend. Dabei vermag sie ihr Gleichgewicht mit Hilfe der vom Körper weg gestreckten Arme und der Europafahnen in ihren Händen zu halten – was einen politischen Gehalt verleiht: Rettung aus der vereinzelten Unsicherheit bietet hier die europäische Gemeinschaft.
Text: Christine Taxer, 2024