Die Gedenkstätte Neuer Börneplatz besteht aus zwei Elementen. Das erste ist die fast dreihundert Meter lange alte Mauer, die den jüdischen Friedhof umgibt und die die Gedenkstätte in einen Dialog mit dem öffentlichen Raum bringt. An ihr angebracht sind über 11.000 Blöcke, die die aus Frankfurt stammenden Opfer des Holocaust verzeichnen. Aus der Entfernung wirken sie wie ein "repetitives Muster", so Nikolaus Hirsch, einer der Mitgestalter der Gedenkstätte, das an die industrielle Massentötung denken lasse. Erst beim Herantreten wird die Schrift sichtbar, aus etwa einem Meter Entfernung kann man schließlich die Namen lesen: "Hier findet der Übergang statt zu einer Individualisierung." Ein solcher "Wahrnehmungsprozess" – "zwischen einerseits dem Industriellen, Bürokratischen und auf der anderen Seite den individuellen Schicksalen" – war den Gestalter*innen ein zentrales Anliegen; sie sahen ihre Aufgabe darin, dafür ein gestalterisches Mittel zu finden.
Das zweite wesentliche Element der Gedenkstätte ist der Kubus, der im Platanenhain steht und aus Fragmenten des ehemaligen jüdischen Viertels besteht – für Nikolaus Hirsch auch ein "Kommentar dazu, was den Steinen an Gewalt angetan wurde". Denn das über Jahrhunderte hier befindliche Zentrum des jüdischen Lebens in Frankfurt wurde im Nationalsozialismus zerstört: die Synagoge im Zuge der Novemberpogrome 1938; Teile des Friedhofs durch die nationalsozialistische Stadtverwaltung; die Wohnhäuser und das Hospital durch die Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg; der Marktplatz überlebte als staubiges Brachland und wurde in den 1980ern als wilder Parkplatz benutzt.
Hier stehen fünf Namensschilder, die an die wechselvolle Namensgebung des Ortes erinnern: Judenmarkt (16. Jahrhundert bis 1885), Börneplatz (bis 1935), Dominikanerplatz (bis 1978), Börneplatz (bis 1987), Neuer Börneplatz (seit 16.6.1996). Damit kommt auch die langwierige Entstehungsgeschichte der Gedenkstätte Neuer Börneplatz in den Blick: der Börneplatz-Konflikt 1987, der Fragen zum Umgang mit Zeugnissen jüdischer Geschichte aufwarf und unter anderem mit der Planung einer Gedenkstätte geschlichtet wurde. Im anschließenden Wettbewerb erreichte der Entwurf von Andrea Wandel, Wolfgang Lorch und Nikolaus Hirsch den zweiten Platz; er wurde schließlich realisiert und 1996 eingeweiht.
Text: Christine Taxer, 2021