Kunst im öffentlichen Raum Frankfurt

Grcic, Tamara

geb. 1964 in München
lebt und arbeitet in Frankfurt am Main und Wien

Tamara Grcic studierte Kunstgeschichte an der Universität Wien (1983–1986), Kulturanthropologie an der Frankfurter Goethe-Universität (1986–1988) sowie Freie Kunst an der Städelschule (1988–1993). Ihr Werk wurde vielfach ausgezeichnet, es ist in zahlreichen nationalen und internationalen Institutionen zu sehen. Seit 2014 hat sie eine Professur für Bildhauerei an der Kunsthochschule Mainz inne.
Grcic arbeitet medienübergreifend, ihr Werk umfasst Fotografie, Film, Sound, Bildhauerei und Installation. In ihm verbindet sie theoretische Überlegungen, die sie aus umfassenden Recherchen gewinnt, und alltägliche Erfahrungen, die den Arbeitsprozess begleiten. Dabei ist ihre künstlerische Sprache sehr klar und treffend. Oftmals bezieht sie den Raum mit ein, sie spricht von dessen "Aufladung" (so in einem Interview mit Sabine Becker 2013/2014, das auch auf der Website der Künstlerin steht; letzter Zugriff 28.02.2024): "Hier ist es mir wichtig den spezifischen Raum in seiner größtmöglichen Vielfalt zu erfassen, um dann den Punkt für mich herauszufinden, an dem ich ansetzen und eingreifen will. Diese ersten Zugänge sind sehr unterschiedlich. Sie hängen sowohl von den Möglichkeiten eines spezifischen Ortes ab, als auch von meinem eigenen gedanklichen Standort in diesem Moment. Manchmal ist es eine Atmosphäre, manchmal eine Irritation, manchmal ein Thema oder eine Sehnsucht. […] Von hier aus entwickelt, wächst und verschiebt sich im konkreten Arbeitsprozess noch sehr viel. Manchmal kommt man am Ende an einer ganz anderen Stelle raus. Ich freue mich immer, wenn ich von einer entstandenen Arbeit überrascht werden kann."
Eine bekannte Serie von Fotografien zeigt Hinterköpfe: den ungezähmten Fall von Haaren. Frankfurter*innen kennen eine verwandte Serie, Falten, aus der Schau im Städel Museum 2017. Zu sehen waren Fotos von getragenen Kleidungsstücken: Diese legen sich also in Falten und machen die unter ihnen befindlichen Körper erkennbar; gleichzeitig werden sie durch den gewählten Ausschnitt abstrakt, wie Farbfelder. Entstanden sind die Fotos auf den Straßen New Yorks, wo die Künstlerin ihre Motive – unbekannte Passant*innen bei zufälligen Begegnungen – auswählte. So oszillieren die Bilder zwischen Körperlichkeit und Abstraktion, Sehnsucht nach Nähe und objektivierender Distanz.
Grcic hat zahlreiche Arbeiten für den öffentlichen Raum geschaffen, darunter die Installation Gaggiandre für die 53. Biennale di Venezia 2009. Auch für den Frankfurter Stadtraum sind einige Arbeiten entstanden, so outside-here: ein mit Lautsprechern ausgestattetes Wohnmobil, das immer wieder seinen Platz auf dem Rossmarkt wechselte und aus dem unter anderem das Ticken einer Uhr zu hören war; auf diese Weise kam es zu unterschiedlichen Klangereignissen. Während es sich hier um eine temporäre Installation handelt (2011–2012), ist Nur die Spitze des Eisbergs (aufgestellt 2016) ein dauerhaftes Denkmal. Das Ensemble aus einem Stein und zwei Bronzetafeln erinnert an Fritz Bauer, den hessischen Generalstaatsanwalt, der die juristische und gesellschaftliche Aufarbeitung des Holocaust in Deutschland entscheidend anstieß.

Text: Christine Taxer, 2024

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