Objekt: | Textband für die Gedenkstätte |
Standort: | Ludwig-Reinheimer-Straße |
Stadtteil: | Heddernheim |
Künstler*in: | Fischer, Bernd |
Material: | Kunststoff, Plexiglas, Metall |
Entstehung: | 2015–2018 |
Aufstellung: | Eingeweiht 2018. Initiiert und finanziert vom Ortsbeirat 8 |
Eigentum von: | Stadt Frankfurt, Ortsbeirat 8 |
1942 errichteten die Nationalsozialist*innen in Heddernheim ein so genanntes "Arbeitserziehungslager". Die Gefangenen solcher Lager – im Deutschen Reich gab es insgesamt etwa 200 davon – wurden meist ohne Prozess interniert und mussten unter menschenunwürdigen Bedingungen Zwangsarbeit leisten. Es handelte sich sowohl um Personen, die aus den von der Wehrmacht besetzten Gebieten gezielt als Zwangsarbeiter*innen deportiert worden waren, als auch um Deutsche, die der "Arbeitsverweigerung" beschuldigt wurden. Auch politische Gefangene und jüdische Menschen wurden in den "Arbeitserziehungslagern" interniert. Oftmals wurden sie nach einigen Wochen von hier in die Konzentrationslager verschleppt.
Im "Arbeitserziehungslager" Heddernheim waren insgesamt ca. 10.000 Menschen interniert. Das Lager war der örtlichen Bevölkerung durchaus bekannt, in Anspielung auf die französische Strafkolonie Cayenne trug es inoffiziell den Namen "Kajenn". Die Arbeitsstätten der Gefangenen befanden sich außerhalb des Lagers, sodass die Bevölkerung sie auf dem Weg dahin sehen konnte und in Anspielung auf die blaue Sträflingskleidung zynisch von der "Blauen Division" sprach.
Nach dem Krieg wurden die Baracken und anderen Lagerbauten abgerissen und das Gelände großteils überbaut. Einzig ein Gewölbe aus rotem Ziegel blieb erhalten. Unter Einfügung in die gegenwärtige Nutzung informiert die heutige Gedenkstätte über die historischen Hintergründe und erinnert an die hier verübten Menschenrechtsverbrechen: mit der Pyramide von Inge Hagner und mit dem Textband von Bernd Fischer.
Der vom Kulturamt erteilte Auftrag sah eine Gedenktafel vor, die einen umfangreichen, vom Institut für Stadtgeschichte zur Verfügung gestellten Text tragen sollte. In seiner künstlerischen Lösung platzierte Fischer diesen Text in dem historischen Gewölbe, und zwar als LED-Textlaufanzeige. Auf diese Weise leuchtet den Besucher*innen rote Schrift aus dem Dunkel entgegen; auf dem quer durch den Raum geführten, einzeiligen Textband ist sie in ständiger Bewegung.
Der Text lautet:
In der Zeit des Nationalsozialismus bestand im Frankfurter Stadtteil Heddernheim von April 1942 bis März 1945 ein von der Geheimen Staatspolizei geführtes "Arbeitserziehungslager". Insgesamt etwa zehntausend Personen, fast ausschließlich Männer, waren hier interniert. Sie stammten überwiegend aus den von der deutschen Wehrmacht besetzten Ländern und leisteten Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie und anderen Industriezweigen, in Gewerbebetrieben, in der Landwirtschaft, bei der Reichsbahn oder bei der Stadtverwaltung. Gesichert ist, dass mindestens 60 Frauen als Sträflinge in diesem Lager waren.
Offizielle Gründe für die Einweisung waren häufig angebliche Nichterfüllung der Arbeitspflicht und Verstöße gegen erniedrigende Vorschriften, denen insbesondere Zwangsarbeiter aus Osteuropa unterworfen waren. Oft vollzog die Gestapo die Einweisung aufgrund einer Denunziation. Zu den Gefangenen zählten auch Deutsche, darunter Juden, Insassen des Polizeigefängnisses, Regimegegner sowie unangepasste Jugendliche.
Ein Appellplatz mit Wachturm sowie ein sogenannter Bunker dienten der Bewachung, Einschüchterung und Bestrafung. Drei Baracken, für 180 Personen geplant, waren zeitweilig mit über 400 Gefangenen belegt. Sie mussten in Sträflingskleidung wochen- und monatelang bei unzureichender Ernährung Schwerstarbeit leisten, meist außerhalb des Lagers für verschiedene Firmen.
In Anspielung auf eine berüchtigte französische Strafkolonie hieß das Lager bei der Bevölkerung "Cayenne". Tatsächlich aber herrschten hier einem Konzentrationslager ähnliche Lebensumstände. Fesselung und brutale Misshandlungen waren an der Tagesordnung, und mancher der Häftlinge hat die Tortur der "Straferziehung" nicht überlebt. Auch fanden im Lager mehrfach Hinrichtungen statt. Viele Insassen wurden vom Arbeitserziehungslager schließlich in ein Konzentrationslager deportiert.
Im März 1945 zwang man die Häftlinge auf einen Evakuierungsmarsch in Richtung des Konzentrationslagers Buchenwald, der bis zum Vogelsberg gelangte. Der Sieg der Alliierten über das "Dritte Reich" beendete dieses grausame Kapitel nationalsozialistischer Herrschaft auf dem Boden der Stadt Frankfurt am Main. (Textlaufgerät, Stand: 11.2018)
Text: Julius Reinsberg, 2018; Christine Taxer, 2023
Mehr zum Objekt auf der Website des Künstlers: Website Bernd Fischer