Kunst im öffentlichen Raum Frankfurt

Ring der Statuen

Objekt: Ring der Statuen
Standort: Rothschildpark
Stadtteil: Westend
Künstler*in: Kolbe, Georg
Material: Bronze, Basalt-Lava
Entstehung: 1933–1947
Aufstellung: 1954
Eigentum von: Stadt Frankfurt

Im Rothschildpark steht ein weiteres Werk von Georg Kolbe: der Ring der Statuen. Die Entwürfe für den Ring der Statuen wurden 1941 von der Stadtverwaltung Frankfurt a. M. angekauft. Im Oktober 1954 wurde er errichtet. Dabei verzichtete die Stadtverwaltung auf eine feierliche Enthüllung. Über die Aufstellung des Ring der Statuen nach Kriegsende entschied die Deputation für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung im Oktober 1953. Ebendiese legte im März 1954 den Rothschildpark als Aufstellungsort fest.

Kolbe plante eine kreisförmige Anlage mit einem Durchmesser von fast neuen Metern, dessen Mitte durch drei Stufen abgesenkt ist. Auf Bodenniveau des Geländes sind sieben leicht überlebensgroße Aktplastiken aufgestellt: Die Amazone (1937), Junger Kämpfer (1938/46), Die Hüterin (1938), Der Sinnende (1941/47), Die Auserwählte (1939), Der Jüngling (1937/46) und Junges Weib (1938). Sie umranden die Anlage und sind frontal zum Mittelpunkt hin ausgerichtet. Jede der aus Bronze gefertigten Aktplastiken wird von schlanken Stehlen aus Basalt-Lava flankiert, die Nischen für die Menschendarstellungen bilden. Ihre Bewegungen sind einfach. Mit Ausnahme des Sinnenden und der Hüterin, denen Kolbe gestische Armbewegungen mitgibt, sind sie in unbewegten, statuarischen Posen dargestellt. Die naturnahe Darstellung ist nicht übersteigert, aber die Körper von kräftiger Statur. Ihre Muskulatur ist deutlich herausgearbeitet, man möchte sagen „athletisch“. Ihr Blick ist mehrheitlich nach vorne gerichtet, mit unklarem Fokus. Die Plastiken umgeben die Anlage nicht vollständig, an einer Stelle ist der Menschenring „aufgetrennt“. Die Anlage besitzt damit einen breiten Zugang, durch den der Betrachter eintreten kann. Die freigelassene Stelle kann ebenso als für den Betrachter vorgesehene Position gedeutet werden, die dann Aufforderung zur Partizipation wie auch Identifikation ist.

Kolbe, der seit den 1910er-Jahren erfolgreich als Bildhauer arbeitete und sich in den Jahren der Weimarer Republik auch international etablieren konnte, setzte seine Karriere in den Jahren des Nationalsozialismus erfolgreich fort. Auf der Großen Deutschen Kunstausstellung (GDK) in München war er regelmäßig und in prominenter Positionierung zu sehen. Vier der insgesamt sieben Aktplastiken des Ring der Statuen wurden auf der GDK präsentiert. In der Verkaufsausstellung, die gleichzeitig eine Leistungsschau der „deutschen“ Kunst sein sollte, erwarb Adolf Hitler 1939 einen Guss der Plastik Junges Weib. Im selben Jahr kaufte Bernhard Rust Die Hüterin, Rust war zu diesem Zeitpunkt Leiter des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Die Aktplastiken des Ring der Statuen entsprechen nicht der verbreiteten Vorstellung der NS-Monumentalplastik, deren Bild von der NS-Propaganda und durch Werke der Bildhauer Josef Thorak und Arno Breker geprägt ist. Mit der deutlich herausgearbeiteten Muskulatur und der kräftigen Statur sind die Aktplastiken des Ring der Statuen aber zweifellos anschlussfähig für die Ideologie und Kunstdoktrin der Nationalsozialisten. Auf die nackte menschliche Gestalt reduziert verweisen die vom Künstler vergebenen Titel auf Wesensmerkmale. Die Hüterin stellt im (NS-)historischen Kontext die „Trägerin von Blut und Rasse“ dar. Auch Titel wie Junger Kämpfer und Die Auserwählte sind politisch-ideologisch leicht verwertbare Stereotype. Kolbe reflektiert und adaptiert hier das Menschenbild der Zeit. Bei den Aktplastiken des Ring der Statuen handelt es sich deshalb nicht um „allgemeine“ Menschendarstellungen, deren Entstehungszeitraum zufälligerweise in die NS-Zeit fällt.

Der kreisförmige Grundriss der Anlage kann als sprechende Form und Symbol für einen Ort der Gemeinschaft gelesen werden. Es stellt sich die Frage, welche Gemeinschaft die Skulpturen des Ring der Statuen repräsentieren, denen Kolbe mit der kreisförmigen Architektur einen Raum schafft, der ebenso inklusiv wie exklusiv gedeutet werden kann.

Text: Ambra Frank, 2024

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