Kunst im öffentlichen Raum Frankfurt

Trockel, Rosemarie

geb. 1952 in Schwerte
lebt und arbeitet in Köln

1971 begann Rosemarie Trockel ein Lehramtsstudium der Anthropologie, Soziologie, Theologie und Mathematik. Im Anschluss studierte sie Malerei an den Kölner Werkschulen (Fachbereich Kunst und Design der Fachhochschule Köln, 1974–1978). Von 1998 bis 2016 war Trockel Professorin an der Kunstakademie Düsseldorf. Sie pflegt zahlreiche Mitgliedschaften, zuletzt wurde sie in die American Academy of Arts and Sciences gewählt (2021). Im Kunstkompass, auf der Liste der weltweit gefragtesten Künstler*innen der Gegenwart, belegt Trockel seit 2012 den dritten bzw. vierten Platz.
Zunächst fand ihr Werk besonders in den USA Beachtung, davon zeugen die Ausstellungen im Museum of Modern Art in New York (1988), im Museum of Contemporary Art in Chicago und im Institute of Contemporary Art in Boston (beide 1991). Auch in Europa nahm sie an wichtigen Ausstellungen teil, unter ihnen die documenta X (1997), die Biennale in Venedig (2003) und die skulptur projekte münster 07. In Frankfurt kennt man sie ganz aktuell aus der Retrospektive, die ihr das Museum für Moderne Kunst MMK 2022/2023 gewidmet hat.
1980 schloss sie Freundschaft mit der Stadtplanerin Monika Sprüth, die sie auf Reisen in die USA begleitete und später ihre Galeristin wurde. Der Austausch mit Künstlerinnen wie Jenny Holzer, Barbara Kruger und Cindy Sherman bestärkte sie in ihrem eigenen künstlerischen Konzept: der Thematisierung spezifisch weiblicher Perspektiven, unter Formulierung subtiler Kritik und Entwicklung subversiver ästhetischer Strategien. Zu diesen gehören die Neuinterpretation "femininer" Techniken, die ironische Verschiebung kultureller Codes, Freude an Ambivalentem und Paradoxem sowie die Absage, sich kommerziellen und institutionellen Ideologien des Kunstsystems anzupassen.
Aus der Vielfalt ihres Werks seien hier die Strickbilder und Herdplattenreliefs genannt, die als Trockels "ironisches Markenzeichen" gelten (so Rudolf Schmitz in seiner Rezension zur Ausstellung im MMK: Rezension br) und die seit den 1980er Jahren entstehen. Sie überführen weiblich konnotierte Tätigkeiten – das Stricken, das Kochen – in den Kunstkontext und hinterfragen die Alltagskultur und die Langlebigkeit sozialer Strukturen, die den Lebensplatz von Frauen nach wie vor in die Küche verorten. Einige Herdplattenreliefs sind mit einer Steckdose verbunden und können also heiß werden. So wird klar, dass solche Zuweisungen Zerstörungspotential bergen – und auch, dass Trockel über ein passendes Instrumentarium verfügt, um sie künstlerisch zu unterlaufen und zu persiflieren.
Gleichzeitig enthalten die Arbeiten kunsthistorische Referenzen und rufen Diskurse der Kunst auf – wobei sie die Männer-dominierte Kunstwelt herausfordern. Ein Beispiel sind die Wollbilder der 2010er Jahre, die Trockel nicht mehr gestrickt, sondern geklebt hat: Streifen aus bunten Wollfäden auf Leinwand – zu verstehen auch als ein Kommentar auf die Streifenbilder männlicher Vorgänger und Kollegen wie Barnett Newman, Daniel Buren und Gerhard Richter. Deren Ernst würzte Trockel allerdings mit einer gehörigen Portion (Selbst)Ironie, indem sie mit Werktiteln und Technik spielte.
Seit 2015 entstehen die Cluster-Arbeiten, in denen sie Fotografien, auch von eigenen Arbeiten, in idiosynkratische Anordnungen bringt. Hier wird deutlich, dass ihr Werk auch ein anhaltender Prozess des Sammelns, Überschreibens und Neuordnens ist. Für Trockel ist ein Kunstwerk ein instabiler Zustand aus Form und Konzept, das diese radikale Instabilität einsetzt, um Kategorien, Regeln und Dogmen zu hinterfragen (vgl. Vorstellung der Künstlerin durch ihre Galerie: Bio Sprüth Magers).
Beschränkung, Bevormundung und Gewalt aufgrund normativer (Geschlechter)Ordnungen sind Aspekte, die auch in das Kunstwerk für den Frankfurter öffentlichen Raum, den Frankfurter Engel, eingegangen sind. Hier ist es ein versehrter Engel, der das Mahnmal für die Homosexuellenverfolgung bildet.

Text: Christine Taxer, 2023

Mehr zur Künstlerin:
Logo der Stadt Frankfurt am Main