Kunst im öffentlichen Raum Frankfurt

Verletzte Liebe

Objekt: Verletzte Liebe
Standort: Petersfriedhof
Stadtteil: Innenstadt
Künstler*in: Fecht, Tom
Material: Stahlnagel, Pflasterstein
Entstehung: 1994
Aufstellung: Eingeweiht am 1.12.1994
Eigentum von: AIDS-Hilfe und ACT UP e.V. Frankfurt

Während der AIDS-Pandemie in den 1980er Jahren wurden Sex, Krankheit und Tod in einem Atemzug genannt. Im April 1994 waren in Deutschland mehr als 60.000 Menschen mit HIV infiziert. Frankfurt und Berlin zählten die meisten Opfer der Pandemie in Deutschland. Inmitten dieser Krise fehlte es in Frankfurt an einem Ort, an dem man den zahlreichen Opfern gedenken und gleichzeitig gegen ihre Stigmatisierung kämpfen konnte.

Dank großzügiger Spenden aus der Öffentlichkeit, insbesondere aus der schwulen Szene, konnte 1994 ein Denkmal für die Verstorbenen errichtet werden. Gestaltet wurde es nach dem Entwurf Verletzte Liebe vom Berliner Künstler Tom Fecht. Die Einweihung des Denkmals fand am 1. Dezember 1994 statt. Initiiert wurde das Projekt von der Aktionsgruppe Act up und der AIDS-Hilfe. Übrigens öffnete sich die Paulskirche an diesem Tag zum ersten Mal für den Welt-AIDS-Tag. Und zwar zur Trauerfeier zum Gedenken an all die Frankfurter*innen, die bis zu diesem Zeitpunkt an den Folgen der Immunschwächekrankheit gestorben waren (vgl. die Broschüre zur Einweihung des Denkmals am 1. Dezember 1994: AIDS-Memorial Frankfurt Peterskirchfriedhof).

Der Künstler schlug 1994 um die 600 Nägel am Peterskirchfriedhof in der Frankfurter Innenstadt in die Sandsteinmauern. Jeder Nagel steht für einen Menschen, der in Frankfurt an AIDS gestorben ist. Auf den Steinquadern steht in großen Lettern der Titel des Denkmals Verletzte Liebe und etwas kleiner in Französisch A l'amour blessé. Die etwa 15 Zentimeter langen, in Bronze gegossenen Nägel sind bewusst nicht gekennzeichnet. Jedoch ist ihre Form und jeweilige Position auf den Wänden individuell gewählt. Bei Lichteinfall, so schreibt Fecht in oben genannter Broschüre, bekommt jeder Nagel einen individuellen Schatten, der die Einzigartigkeit eines jeden verstorbenen Menschen symbolisiert.

Fecht zufolge stehen die Nägel für die Verletzungen an AIDS verstorbener Menschen, die mit der Krankheit einhergehen, darunter Einsamkeit, Diskriminierung, Angst und Vertrauensverlust. Dabei lehnt sich das Konzept an die biblische Erzählung von der Kreuzigung von Jesus Christus. Gemeinsam ist ihnen die Entehrung durch eine quälende Hinrichtung. In beiden Fällen trifft das Todesurteil Menschen, weil sie anderer Überzeugung, anderen Glaubens und anderer Gesinnung sind, also einem anderen Lebensstil anhängen.
Tatsächlich wird auch heute noch für jede Person, die in Frankfurt an AIDS verstorben ist, ein Nagel in die Wand des Denkmals eingeschlagen, um die Erinnerung lebendig zu halten. Hoffnung der Trauerstätte ist, dass die Politik mehr Geld für Prävention und Forschung der Krankheit bereitstelle, anstatt diese zu stigmatisieren. Denn es ist auch ein Ort der Anklage verfehlter AIDS-Politik in Deutschland.

Text: Carolin Tüngler, 2023

Mehr zum Objekt: AIDS-Memorial | AHF e. V. (frankfurt-aidshilfe.de)

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