Objekt: | Kriegsdenkmal für die Opfer der Weltkriege und der Gewaltherrschaft |
Standort: | Brentanopark |
Stadtteil: | Rödelheim |
Künstler*in: | unbekannt |
Entstehung: | um 1930 |
Eigentum von: | Stadt Frankfurt |
Im Rödelheimer Brentanopark wirft ein monumentales Relief seine Schatten. Es wirkt wie ein Fragment, das auf einen Sockel gesetzt wurde, und sieht fast so aus, als solle es einen fehlenden Betonbau andeuten. Tatsächlich war das Mädchen mit Schale eigentlich für das Gebäude der Raiffeisenkasse bestimmt, hier wurde es 1951 durch die Künstlerin Cläre Bechtel eingemeißelt. Rätselhaft, wieso es nun ausgerechnet hier wieder auftaucht.
Die Inschrift auf der Vorder- und Rückseite des breiten Sockels verrät, dass es sich um ein Kriegsdenkmal handelt:
DIE OPFER DER BEIDEN WELTKRIEGE UND DER GEWALTHERRSCHAFT MAHNEN ZUM FRIEDEN.
Doch in welchem Verhältnis stehen die beiden Elemente – das Relief mit dem Mädchen und der Sockel mit der Inschrift?
In der originalen Fassung trug der Sockel eine Bronzeskulptur von Carl Stock. Entstanden 1937, wurde sie von einem nationalsozialistischen Verein in Auftrag gegeben. Die nackte Figur entsprach dem nationalsozialistischen Ideal eines arischen Mannes. Mit ausgestrecktem linken Bein und einem Schwert im Schoß war sie kampfbereit dargestellt. 1941 wurde die Bronze im Rahmen der "Metallspende des deutschen Volkes" abgebaut, um für die Herstellung von Kriegsmaterial eingeschmolzen zu werden. Die nationalsozialistische Regierung war überzeugt, die Figur nach dem Krieg mithilfe eines vorhandenen Gipsmodells wiederherstellen zu können. Auf dem Sockel gibt es einen weiteren Schriftzug "Unseren Gefallenen 1914–1918"; er entspricht der Absicht, der Gefallenen des Ersten Weltkriegs zu gedenken und den damals so genannten "Opferwillen" der Bevölkerung von Rödelheim zu bezeugen. Wir haben es also mit offizieller nationalsozialistischer Propaganda zu tun. Als Spur von ihr blieb für viele Jahrzehnte der leere Sockel zurück.
1982 sollte auf Initiative der Rödelheimer CDU ein Friedensmahnmal die sichtbare Leerstelle füllen. Wie die Frankfurter Neue Presse (03.06.1982) berichtete, sah sich Johannes Kinzig von der CDU mehrere im Karmeliterkloster eingelagerte Figuren an und entschied sich für das Hochrelief Mädchen mit Schale von Cläre Bechtel. Die inhaltliche Verbindung des Reliefs mit dem Thema Frieden ist jedoch unklar. Und die Entscheidung verursachte kontroverse Diskussionen in der Gemeinde. So führte Pfarrer Heinrich Dippel in der Frankfurter Rundschau (18.06.1982) aus, dass man böswillig interpretieren könnte, der Kapitalismus sei auf dem Sockel des Nationalsozialismus errichtet worden. Die Rödelheimer SPD bezeichnete die Aufstellung des Reliefs, angesichts der Funktion der eingeschmolzenen Bronze, als "äußerst fragwürdig".
Heute erfüllt das Mädchen mit Schale den Park, wie eingangs ausgeführt, allein formal-ästhetisch mit Irritation. Wie gehen wir mit der nationalsozialistischen Vergangenheit um, die das Relief ersetzen soll?
Text: Carolin Tüngler 2024