Kunst im öffentlichen Raum Frankfurt

Gedenkstätten


Gegen das Vergessen

Die Begriffe Gedenkstätten und Mahnmale beziehen wir hier auf Objekte, die an Verbrechen der Vergangenheit, etwa denen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, erinnern. In einer Situation variierender Verwendung dieser Begriffe orienieren wir uns damit an der Bundeszentrale für politische Bildung. Häufig markieren Gedenkstätten dabei die historischen Tatorte, während Mahnmale – ähnlich den Personendenkmalen – an prägnanten Orten im öffentlichen Raum stehen.
Jan Philip Reemtsma führte 2010 die Funktionen solcher Erinnerungsorte aus (in der Zeitschrift Aus Politik und Zeitgeschichte; zwar fokussieren seine Gedanken zu "Erinnern, Bewusstsein und Scham" an ehemaligen KZs befindliche Gedenkstätten, sie treffen jedoch auch weiter gefasst zu). Demnach sind Gedenkstätten zunächst Orte, an denen Überlebende und Nachkommen ihrer toten Angehörigen gedenken können. Zudem verhindern sie eine Verleugnung der Vergangenheit, indem sie Tatsachen dokumentieren und so eine Beweissicherung vornehmen. Darüber hinaus deutet Reemtsma diese Stätten als Menschheitserbe, das unsere Geschichte und unsere Selbstdeutung bestimmt. Als ein solches Erbe stehen sie außerhalb von Ort und Zeit und gehen uns alle an: An diesen Orten, die der Diskriminierung und dem Mord gewidmet waren, wird uns die Fragilität unserer Zivilisation bewusst.

Gedenkstätten in Frankfurt
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Stadt Frankfurt stark verändert. Neue Gebäude, Plätze und ganze Quartiere sind entstanden. Mit solchen Änderungen ist häufig verbunden, dass auch Geschichte überbaut wird.
Dies birgt gewisse Risiken. Verschwinden alte Strukturen, können historische Geschehnisse nicht mehr mit den Orten des Geschehens verbunden werden. Doch wenn ihre Aufarbeitung ausschließlich im musealen Kontext oder in wissenschaftlicher Fachliteratur stattfindet, geraten sie leicht in Vergessenheit. Dieser Themenkomplex wurde zum Beispiel im Frankfurter Börneplatz-Konflikt 1987 verhandelt; im Zentrum stand die Frage, wie mit Zeugnissen jüdischer Geschichte umzugehen sei. Aber gerade die Shoah muss präsent bleiben – nach den Widerständen bis in die 1980er Jahre hinein (siehe hierzu auch den oben genannten Text) ist man sich darin heute in Deutschland einig. Daher verankern Gedenkstätten und Mahnmale diesen Teil der Geschichte im Stadtbild.
Wie die Personendenkmale zeigen auch die Frankfurter Gedenkstätten, dass sich die Auffassungen von Erinnerungsobjekten in den letzten Jahrzehnten verändert haben. Gedenken kann jetzt auch von Kunstwerken angestoßen werden. So nennen die über 11.000 Blöcke der Gedenkstätte Neuer Börneplatz die Namen aller aus Frankfurt stammenden Opfer der Shoah, wirken aber aus der Ferne wie ein repetitives Muster und evozieren damit die industriell organisierte Massentötung – hier ist also ein bestimmter Wahrnehmungsprozess angelegt. An der Europäischen Zentralbank EZB wiederum gedenkt man der Deportationen jüdischer Menschen, die zwischen 1941 und 1945 am Bahnhof der früher hier befindlichen Großmarkthalle ihren Ausgang nahmen. Begleitet von historischen Zitaten, bewegt man sich durch das Gebäude und vollzieht auf diese Weise den Ablauf einer Deportation nach. Der Frankfurter Engel erinnert mit der Figur eines verletzten Engels an die justizielle und gesellschaftliche Verfolgung von Homosexuellen im Nationalsozialismus und noch im Nachkriegsdeutschland. Das Mahnmal ist an einem bedeutsamen Ort aufgestellt: nahe des Gerichts und in einer von homosexueller Kultur geprägten Umgebung. Das Waisen-Karussell wiederum reflektiert die durch die Kindertransporte 1938/39 entstandene Leerstelle in einem poetischen, anrührenden Bild: Das Mahnmal ist einem Kinderkarussell nachempfunden und auch als solches benutzbar, wobei es sich allerdings nur mit großer Mühe drehen lässt. Auf diese Weise wird bewusst, dass mit den Kindertransporten sowohl Hoffnung als auch Schmerz verbunden waren.

Weitere Informationen:
Das Institut für Stadtgeschichte bietet über ein eigenes Internetportal einen Zugang zur Geschichte von Frankfurt im Nationalsozialismus an: Frankfurt am Main 1933–1945
Das unter anderem vom Kulturdezernat betreute Projekt METAhub macht Orte jüdischen Lebens, die heute physisch nicht mehr existieren, mit digitalen Formaten und künstlerischen Inszenierungen erfahrbar: METAhub Frankfurt

Text: Christine Taxer, 2024
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