Kunst im öffentlichen Raum Frankfurt

Nur die Spitze des Eisbergs (Fritz-Bauer-Denkmal)

Objekt: Nur die Spitze des Eisbergs (Fritz-Bauer-Denkmal)
Standort: Zeil, vor dem Oberlandesgericht
Stadtteil: Innenstadt
Künstler*in: Grcic, Tamara
Material: Metamorphit (Serpentinit), zwei Bronzetafeln
Entstehung: 2012–2016
Aufstellung: 2016
Eigentum von: Stadt Frankfurt, Kulturamt

Das Ensemble aus einem Stein und zwei Bronzetafeln erinnert an den hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (1903–1968), der zur juristischen und gesellschaftlichen Aufarbeitung des Holocaust in Deutschland entscheidend beitrug. So erreichte er die Rehabilitierung der am Hitler-Attentat vom 20.7.1944 Beteiligten, leitete die Festnahme Adolf Eichmanns ein und setzte durch, dass die Ermittlungen zum Gesamtkomplex Auschwitz zentral dem Landgericht Frankfurt übertragen wurden. Die ab 1963 stattfindenden Frankfurter Auschwitzprozesse richteten sich gegen Angehörige der SS-Wachmannschaften im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz, wo zwischen 1940 und 1945 über eine Million Menschen ermordet worden war.
Einige Polizisten salutierten, als die bei den Auschwitzprozessen Verurteilten den Gerichtssaal verließen. Diese Tatsache illustriert die öffentliche Meinung im Deutschland der 1960er Jahre: den historischen Kontext, in dem Fritz Bauer tätig war und der zu seiner griffigen Formulierung führte: „es gibt einen Eisberg, und wir sehen einen kleinen Teil und den größeren sehen wir nicht“. Diese Äußerung legte die Künstlerin Tamara Grcic ihrem 2016 errichteten Fritz-Bauer-Denkmal zugrunde.
Hier ist ein unbehauener Stein in den Bürgersteig vor dem Oberlandesgericht eingelassen; ein Teil bleibt unter der Erde verborgen – sichtbar ist Nur die Spitze des Eisbergs, so der zweite Titel des Kunstwerks. Wie die nationalsozialistischen Täter*innen: Nur ein kleiner Teil von ihnen stand vor Gericht; und dies, obwohl die während der nationalsozialistischen Diktatur verübten Verbrechen nicht auf wenige Repräsentant*innen von Institutionen zurückgehen, vielmehr waren sie in der Gesellschaft verankert – sogar, zumindest auf gedanklicher Ebene, bis in die 1960er Jahre hinein. Diese Einsicht Bauers ist im heutigen Deutschland zur bestimmenden Sichtweise geworden und hat die gesellschaftliche Bewältigung von Nationalsozialismus und Holocaust geleitet. Wie diese Einsicht stellt sich heute der Stein den Passant*innen in den Weg und zwingt zum Innehalten und Hinterfragen.

Text: Christine Taxer, 2021

Weitere Informationen zum Fritz-Bauer-Institut hier.

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